Bernard Lonergan, "Die Einsicht", Vorwort 6a Quelle: Bernard Lonergan, "Die Einsicht: eine Untersuchung über den menschlichen Verstand" Jedes Reden über Kunst ist nur sinnvoll, wenn die geistigen Grundlagen freigelegt werden, auf denen sich die Reflexion über Kunst vollzieht. Mir ist kein Denker bekannt, dessen methodologische Klarheit und Einsichten einem in ähnlicher Weise wie jene Bernard Lonergans dazu verhelfen können, sich der geistigen Grundlagen seiner selbst und Geschichte klar zu werden. Die deutsche Übersetzung von "Insight: A Study of Human Understanding" ist selbst antiquarisch kaum mehr erhältlich. Ich möchte in einer Reihe Passagen aus der deutschen Übersetzung zitieren.
"... die Flucht vor dem Verstehen blockiert das Vorkommen von Einsichten ..."
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6a Achtens, es wird sich zeigen, daß die Flucht vor dem Verstehen alles andere ist als eine besondere Aberration, die nur den Unglücklichen oder den Verderbten heimsucht. In ihrer philosophischen Form (die nicht verwechselt werden darf mit ihren psychiatrischen, moralischen, sozialen und kulturellen Äußerungen) scheint sie einfach auf einer unvollständigen Entwicklung des intelligenten und vernünftigen Gebrauchs der eigenen Intelligenz und Vernunft zu beruhen. Steht aber an ihrem Anfang nur das Fehlen einer vollständigen Entwicklung, sind ihre Konsequenzen doch handgreiflich genug. Denn die Flucht vor dem Verstehen blockiert das Vorkommen von Einsichten, die ihr komfortables Gleichgewicht umwerfen würden. Außerdem begnügt sie sich nicht mit einem bloß passiven Widerstand. Sie tritt zwar verschleiert und hintergründig auf, ist aber findig und trickreich, wirksam und außerordentlich plausibel. Sie tritt in einer ganzen Bandbreite von Formen auf, und wenn die eine unhaltbar wird, nimmt sie Zuflucht zu einer andern. Sie wird nicht müde, oberflächliche Gehirne mit oberflächlichen Positionen zu beliefern; sie ist kompetent genug, derart scharf- und tiefsinnige Philosophien zu entwerfen, daß die klügsten Köpfe sich Jahrhunderte lang vergebens mühen, ihre tatsächlichen Unzulänglichkeiten aufzudecken. (Fs) (notabene)
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