Bernard Lonergan, "Die Einsicht", Vorwort 7a-7c

Quelle: Bernard Lonergan, "Die Einsicht: eine Untersuchung über den menschlichen Verstand"

Reden über Kunst ist nur sinnvoll, wenn die geistigen Grundlagen freigelegt werden, auf denen sich die Reflexion über Kunst vollzieht. Mir ist kein Denker bekannt, dessen methodologische Klarheit und Einsichten einem in ähnlicher Weise wie jene Bernard Lonergans dazu verhelfen können, sich der geistigen Grundlagen seiner selbst und Geschichte klar zu werden. Die deutsche Übersetzung von "Insight: A Study of Human Understanding" ist selbst antiquarisch kaum mehr erhältlich. Ich möchte in einer Reihe Passagen aus der deutschen Übersetzung zitieren.

"Man kann deshalb sagen, daß das vorliegende Buch auf drei Ebenen vorgeht."

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7a Man kann deshalb sagen, daß das vorliegende Buch auf drei Ebenen vorgeht. Es ist eine Studie des menschlichen Verstehens. Es entfaltet die philosophischen Implikationen des Verstehens. Es ist eine Kampagne wider die Flucht vor dem Verstehen. Diese drei Ebenen sind solidarisch. Ohne die erste gäbe es keine Basis für die zweite und keine präzise Bedeutung für die dritte. Ohne die zweite könnte die erste nicht über elementare Aussagen hinausgehen, und die dritte verlöre ihre Schlagkraft. Ohne die dritte würde die zweite als unglaubhaft betrachtet und die erste würde vernachlässigt werden. (Fs)

7b Man wird mir vermutlich sagen, ich hätte versucht, auf einer zu breiten Front vorzugehen. Ich tat dies aus zwei Gründen. Wenn man ein Schiff oder eine Philosophie konstruiert, muß man bis zu Ende gehen; denn ein Versuch, der prinzipiell unvollständig ist, kommt einem Fehlschlag gleich. Mehr noch: gegen die Flucht vor dem Verstehen nützen Halbheiten überhaupt nichts. Nur eine umfassende Strategie kann zum Erfolg führen. Eine Festung der Flucht vor dem Verstehen zu übergehen bedeutet, eine Basis unangetastet zu lassen, von der aus sofort ein Gegenangriff lanciert werden wird. (Fs)

7c Wenn man auch diesen Überlegungen zustimmen wird, so wird man doch geltend machen, daß ein Unternehmen dieses Formats nur durch eine organisierte Forschung von Spezialisten auf vielen verschiedenen Gebieten passend durchgeführt werden könnte. Dem kann ich natürlich nur zustimmen. Ich bin weit davon entfernt, auf den meisten der vielen Gebiete, in denen Einsichten vorkommen, kompetent zu sein und die eindrucksvolle Ansammlung von Talent und die wohltuende Zuteilung von Finanzen, die mit einem Forschungsprojekt einhergehen, wären mir auf jeden Fall hoch willkommen. Ich war aber nicht mit dem, was man normalerweise Forschung nennt, beschäftigt. Mein Ziel war nicht, die Mathematik voranzutreiben, und auch nicht, irgend etwas zu den verschiedenen Zweigen der Wissenschaft beizutragen. Mein Ziel war, eine gemeinsame Basis zu suchen, auf der sich intelligente Menschen treffen können. Die anvisierte gemeinsame Basis -so mußte ich mir eingestehen - war zu einer Zeit, da Mathematiker, Naturwissenschaftler und Menschen von Common Sense kaum über das Problem der Einsicht nachdachten, schwer zu fassen. Es galt also, eine vorbereitende Forschungsreise in eine unglücklicherweise vernachlässigte Gegend zu unternehmen. Erst nachdem den Spezialisten auf verschiedenen Gebieten die Möglichkeit gegeben worden ist, die Existenz und Bedeutung ihrer Einsichten zu entdecken, könnte überhaupt gehofft werden, daß einige von ihnen meine Absicht ermitteln werden, wo meine Ausdrucksweise fehlerhaft ist; daß sie meine Fehler korrigieren werden, wo Unwissenheit mich in die Irre geführt hat; und daß sie mit dem Reichtum ihrer Erkenntnis die dynamischen aber formalen Strukturen ausfüllen werden, die aufzustellen ich versucht habe. Nur in dem Maße, als diese Hoffnung verwirklicht wird, wird die spontane Zusammenarbeit in Gang gesetzt werden, die normalerweise den detaillierten Plänen einer organisierten Untersuchung vorangeht. (Fs)

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