Bernard Lonergan, "Die Einsicht", Vorwort 9a-9c (Ende des Vorworts)

Quelle: Bernard Lonergan, "Die Einsicht: eine Untersuchung über den menschlichen Verstand"

Reden über Kunst ist nur sinnvoll, wenn die geistigen Grundlagen freigelegt werden, auf denen sich die Reflexion über Kunst vollzieht. Mir ist kein Denker bekannt, dessen methodologische Klarheit und Einsichten einem in ähnlicher Weise wie jene Bernard Lonergans dazu verhelfen können, sich der geistigen Grundlagen seiner selbst und Geschichte klar zu werden. Die deutsche Übersetzung von "Insight: A Study of Human Understanding" ist selbst antiquarisch kaum mehr erhältlich. Ich möchte in einer Reihe Passagen aus der deutschen Übersetzung zitieren.

"So wie Einsehen und Übersehen für gewöhnlich zusammen vorkommen, so auch, unglücklicherweise, Fortschritt und Niedergang."

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9a So wie Einsehen und Übersehen für gewöhnlich zusammen vorkommen, so auch, unglücklicherweise, Fortschritt und Niedergang. Wir verstärken unsere Liebe zur Wahrheit mit einer Praxis, die dem Obskurantismus gleichkommt. Wir berichtigen alte Übel mit einer Leidenschaft, die das neue Gut verdirbt. Wir sind nicht rein. Wir machen Kompromisse. Wir hoffen, recht und schlecht durchzukommen. Aber der Erkenntnisfortschritt bringt eine zu große und zu schreckliche Macht über Natur und Menschen, als daß wir sie den guten Absichten eines unbewußt voreingenommenen Verstandes überlassen dürften. Wir müssen lernen, klar zwischen Fortschritt und Niedergang zu unterscheiden; lernen, den Fortschritt zu ermutigen, ohne dem Niedergang Vorschub zu leisten; lernen, den Tumor der Flucht vor dem Verstehen zu entfernen, ohne die Organe der Intelligenz zu zerstören. (Fs)

9b Kein Problem ist zugleich delikater und tiefgründiger, praktischer und vielleicht dringender. Wie kann ein Verstand sich seiner eigenen Befangenheit bewußt werden, wenn diese einer allgemeinen Flucht vor dem Verstehen entspringt und durch das ganze Gefüge einer Zivilisation gehalten und getragen wird? Wie kann dem unparteiischen und uneigennützigen Verstehensstreben Kraft und Macht eingehaucht werden, ohne daß die Verstärkung als eine zusätzliche Befangenheit wirkt? Wie kann die menschliche Intelligenz hoffen, mit den nicht-intelligiblen, aber objektiven Situationen fertigzuwerden, welche die Flucht vor dem Verstehen schafft und [xv] erweitert und erhält? Wir können wenigstens einen Anfang machen, indem wir fragen, was genau es bedeutet, zu verstehen; was die Dynamik des Bewußtseinsstromes ist, der die Einsicht begünstigt; welches die Störungen sind, die dem Übersehen zuträglich sind und was endlich die Antworten auf derartige Fragen implizieren für die Leitung von menschlichem Denken und Tun. (Fs)

9c Ich muß schließen. In der Einleitung wird eine genauere Darstellung von Ziel und Struktur des Buches gegeben werden. Ich will hier kurz jene Menschen erwähnen, in deren Schuld ich stehe, und zwar denke ich da an erster Stelle an die Lehrer und die Autoren, die mir im Verlauf der achtundzwanzig Jahre, die verstrichen sind, seitdem ich in die Philosophie eingeführt worden bin, ihr Zeichen aufgedrückt haben. So langdauernd aber war meine Suche, ein so großer Teil von ihr war ein dunkles Ringen mit meiner eigenen Flucht vor dem Verstehen, so zahlreich waren die Halblichter und Umwege in meinem langsamen Vorwärtsschreiten, daß ich es schwierig finde, meiner aufrichtigen Dankbarkeit einen knappen und genauen Ausdruck zu geben. Deshalb wende ich mich den Wohltätern in meiner Reichweite zu: Den Fakultätsmitgliedern der Immaculee Conception in Montreal, wo die parallele historische Studie unternommen wurde1; den Fakultätsmitgliedern des Priesterseminars der Jesuiten in Toronto, wo dieses Buch geschrieben wurde; dem H.H. Eric O'Connor vom Loyola College in Montreal, der mich allzeit auf seine Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften zurückgreifen ließ; den H.H. Joseph Wulftange, Joseph Clark, Norris Clarke, Frederick Crowe, Frederick Coplestone und Andre Godin, die freundlicherweise das Manuskript lasen und mir mit ihren vielfältigen Erkenntnissen, ermutigenden Bemerkungen und zurückhaltender Kritik das Gefühl vermittelten, doch nicht gänzlich auf Abwegen zu wandeln; dem H.H. Frederick Crowe, der die mühsame Aufgabe auf sich genommen hat, ein Register zu erstellen. (Fs)

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