Vorwort, Teil II der dt. Ausgabe: Bernard Lonergan, "Die Einsicht" -- 2. die drei Grundthemen: 2.1

Quelle: Bernard Lonergan, "Die Einsicht: eine Untersuchung über den menschlichen Verstand"

Einleitung (wie Einleitung zum Vorwort Teil I):
Jedes Reden über Kunst ist nur sinnvoll, wenn die geistigen Grundlagen freigelegt werden, auf denen sich die Reflexion über Kunst vollzieht. Mir ist kein Denker bekannt, dessen methodologische Klarheit und Einsichten einem in ähnlicher Weise wie jene Bernard Lonergans dazu verhelfen können, sich der geistigen Grundlagen seiner selbst und Geschichte klar zu werden. Die deutsche Übersetzung von "Insight: A Study of Human Understanding" ist selbst antiquarisch kaum mehr erhältlich. Ich möchte in einer Reihe Passagen aus der deutschen Übersetzung zitieren.
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2. Die drei Grundthemen

XVId Das Buch ist in zwei Teile gegliedert1: 1) Die Einsicht als Tätigkeit, 2) die Einsicht als Erkenntnis. Später hat Lonergan seine Ansicht dahingehend differenziert, daß er sein Werk als die Antwort auf drei Grundfragen betrachtete, nämlich: 1) Was tue ich, wenn ich erkenne? 2) Was erkenne ich, wenn ich dies tue? 3) Warum ist dieses Tun ein Erkennen? (im Sinne von Erkenntnis der Wirklichkeit)2. Das, was eine Philosophie wesentlich kennzeichnet und sie von den anderen unterscheidet, ist ihre "Grundposition", d. h. die Position, die sie in bezug auf Erkenntnis, Realität und Objektivität einnimmt. (Fs) (notabene)

XVIIa
2.1 Die erste Frage zielt darauf ab, die Natur der menschlichen Erkenntnis zu klären. Dies ist auf demselben Weg zu erreichen, wie in allen anderen Fällen, in denen es darum geht zu erkennen, was etwas sei: Man muß die Daten der in Frage stehenden Wirklichkeit untersuchen. Diese Daten sind im Falle der Erkenntnis unsere eigenen Erkenntnishandlungen, die thematisiert werden, d. h. zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht werden können, weil sie bewußte Handlungen sind. Das Ergebnis einer solchen introspektiven Analyse ist, daß die vielfältigen Handlungen, aus denen der Erkenntnisprozeß besteht, und die in den verschiedenen Arten von Erkenntnis eine jeweils verschiedene Ausformung aufweisen, sich auf drei wesentlich voneinander verschiedene und nach den dem Erkenntnisprozeß selbst innewohnenden Gesetzen verbundene Ebenen verteilen: Die Erfahrung, die Einsicht (die im Begriff ihren Ausdruck findet) und das Urteil. (Fs)

XVIIb Die menschliche Erkenntnis im vollen Sinne des Wortes ist also eine dreigliedrige dynamische Struktur, die erst im Urteil das erreicht, d. h. erkennt, wonach sie von Anfang an fragt: Das Sein, die Wirklichkeit. Der "Mythos", den Lonergan ständig vor Augen hat, wenn er von der Erkenntnis als einer Struktur spricht, und den er in all seinen Erscheinungsformen bekämpft, ist die Auffassung von der Erkenntnis a!s einer Art Anschauung (als ein "taking a look"), als einer Tätigkeit nach dem Modell des Sehens mit den Augen, deren Wesen also in einer, sei sie auch angeblich intellektuellen, Extraversion besteht und nicht in ihrer uns durchaus bewußten Intelligenz und Rationalität. Denn eine solche naheliegende, dennoch irreführende Metapher macht, konsequent genommen, die Handlungen, die wir de facto vollziehen, wenn wir erkennen wollen, wie die Dinge wirklich sind, überflüssig bzw. gegenstandslos. Dies bedeutet freilich kein Verbot, von einer Anschauung zu reden, falls dieses Bild als Abbreviatur der genannten, introspektiv feststellbaren Handlungen verstanden wird. (Fs) (notabene)

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