Vorwort, Teil II der dt. Ausgabe: Bernard Lonergan, "Die Einsicht" -- 2. die drei Grundthemen: 2.2 Quelle: Bernard Lonergan, "Die Einsicht: eine Untersuchung über den menschlichen Verstand" Einleitung (wie Einleitung zum Vorwort Teil I):
Jedes Reden über Kunst ist nur sinnvoll, wenn die geistigen Grundlagen freigelegt werden, auf denen sich die Reflexion über Kunst vollzieht. Mir ist kein Denker bekannt, dessen methodologische Klarheit und Einsichten einem in ähnlicher Weise wie jene Bernard Lonergans dazu verhelfen können, sich der geistigen Grundlagen seiner selbst und Geschichte klar zu werden. Die deutsche Übersetzung von "Insight: A Study of Human Understanding" ist selbst antiquarisch kaum mehr erhältlich. Ich möchte in einer Reihe Passagen aus der deutschen Übersetzung zitieren.
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2.2 Wie Lonergan die Frage nach dem, was die Erkenntnis ist, durch die Analyse der intelligenten und rationalen Dynamik (Intention) beantwortet hat, die den Erkenntnisprozeß trägt und von innen her normiert, so legt er fest, was die Wirklichkeit sei, indem er die Beziehung der Wirklichkeit zu denselben Handlungen thematisiert, durch die die Wirklichkeit erkannt wird: "Das Sein ist das Zielobjekt des reinen Erkenntnisstrebens" (348); oder, wenn man den zwei Momenten im Vollzug dieses Erkenntnisstrebens explizit Rechnung trägt: "Das Sein ist all das, was durch ein intelligentes Erfassen und ein vernünftiges Bejahen zu erkennen ist" (391); oder, auf die Wirklichkeit Bezug nehmend, die unserer Erkenntnisart (in der die Intentionalität auf Daten der Erfahrung angewiesen ist) direkt entspricht, und die deshalb ihren ersten und proportionierten Gegenstand ausmacht: Das Sein ist "all das, was durch menschliche Erfahrung, intelligentes Erfassen und vernünftiges Bejahen zu erkennen ist" (ebd.). (Fs)
XVIIIa Es handelt sich um eine operative Definition, die die Wirklichkeit mittels der Handlungen definiert, die nötig sind, um sie zu erkennen, und die sich jeder Mensch spontan zu eigen macht, wenn er etwas erkennen oder wenn er eine als falsch entdeckte Erkenntnis korrigieren will: Durch die Aufmerksamkeit auf alle relevanten Daten, durch den Versuch, sie zu erklären, durch die unvoreingenommene Abwägung darüber, ob nicht doch Daten vorliegen, die seine Interpretation der Daten und damit den Gegenstand, wie er ihn zunächst gedacht hat, in Frage stellen. (Fs)
XVIIIb Die von Lonergan ausgearbeitete Auffassung von der Wirklichkeit impliziert, daß das Sein innerlich intelligibel und rational ist, insofern es genau das ist, was durch unsere Intelligenz und unsere Rationalität erkannt wird, oder, negativ ausgedrückt, sie impliziert, daß das Sein weder jenseits des Intelligiblen noch außer ihm noch verschieden von ihm ist (499). Die Lehre von der Korrelativität zwischen der Intelligenz und der Vernünftigkeit unserer Intentionalität einerseits und der Wirklichkeit andererseits kommt der Lehre gleich, daß wir die Wirklichkeit nicht durch eine problemlose Erfahrung erkennen, nicht durch eine ad hoc postulierte Anschauung, die nicht mit der Erfahrung, der intelligenten Untersuchung und der kritischen Reflexion identisch wäre. Kurzum, es gilt zwischen der Wirklichkeit als Sein zu unterscheiden, die Gegenstand der Erkenntnis intelligenter und rationaler Wesen ist, und der Wirklichkeit als dem "jetzt schon da draußen Realen" ("already out there now real", 251 u. ö.), die Gegenstand einer animalischen Erkenntnis ist, die sich in einem extravertierten Streben erschöpft. Es gilt, zu der Einsicht zu gelangen, daß "der ungreifbare Akt der rationalen Zustimmung die notwendige und zureichende Bedingung für die Erkenntnis der Wirklichkeit ist" (538). (Fs)
XVIIIc Sich eine solche Auffassung von der Wirklichkeit zu eigen zu machen, ist, so warnt Lonergan, eine Entdeckung, "die einer noch nicht gemacht hat, wenn er keine klare Erinnerung an ihre bestürzende Merkwürdigkeit hat" (xxviii). Es ist wahrhaftig keine Übertreibung, wenn Lonergan in seinen späteren Schriften von einer intellektuellen Bekehrung spricht, um von der Auffassung vom Sein als dem Zielobjekt einer Tendenz nach dem Modell der sinnlichen Extraversion zur Auffassung vom Sein als dem, was durch eine richtige Erklärung der Daten erkannt wird, überzugehen; oder, anders gesagt, um den weitverbreiteten Trugschluß zu durchschauen, das Selbstverständliche an unserer Erkenntnis (die Anschauung eines Gegen-standes) sei das, was unsere Erkenntnis selbstverständlich ist (416). (Fs) (notabene)
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